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Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz

Lesedauer ca. 5 Min.

mfe Roundtable: Kandidierende im Gespräch

Kreative Ansätze für das Gesundheitssystem – Ideen gibt es viele

Am SGAIM-Kongress, zwei Monate vor den Wahlen, hatten wir für einmal die nächste nationale Politik-Generation auf dem Podium: Kandidierende aus den 6 grossen Parteien, aus Zürich und dem Aargau. Die Gesundheits-Wahlrezepte der Parteien und die persönlichen Ideen der Kandidierenden interessierten uns besonders.

Die Zusammensetzung im Podium war spannend, zwei Ärztinnen, zwei Pflegefachmänner, eine Pflegeleiterin und eine Sozialarbeiterin, vier davon kantonale, zwei kommunale PolitikerInnen. Sie alle kandidieren für den Nationalrat, die grosse Motivation war spürbar. 

Von Links nach Rechts: Patrick Hässig, GLP / Bettina Balmer, FDP / Brigtte Röösli, SP / Anna-Béatrice Schmaltz, Grüne / Celine Schneider, die Mitte / Miro Barp, SVP.  Anmerkung der Redaktion: Die Aufstellung haben die Kandidierenden selber ausgewählt.
Von links nach rechts: Patrick Hässig, GLP / Bettina Balmer, FDP / Brigtte Röösli, SP / Anna-Béatrice Schmaltz, Grüne / Celine Schneider, die Mitte / Miro Barp, SVP. Anmerkung der Redaktion: Die Aufstellung haben die Kandidierenden selbst ausgewählt. 

Mindset muss sich ändern: Fünfliber in der Notaufnahme

Mit einem realistischen Statement stieg Patrick Hässig in die Diskussion ein: er wäre Papst, hätte er die Lösung für die Probleme im Gesundheitswesen – er sieht keine Chance, die Kosten in den Griff zu bekommen. Wenn, dann wäre es eine gesellschaftspolitische Aufgabe, den Mindset zu ändern, um nicht mehr alles zu beanspruchen, was möglich wäre. 

Diesen Blickwinkel, konnte Bettina Balmer unterstützen: sie sehe jeweils in der kantonalen Budgetdebatte den Verteilungskampf – entsprechend werde da festgelegt, was der Kanton für die Gesundheit aufwenden wolle. Auch konkrete Beispiele zum Thema «Mindset» lieferte sie: das zweite Fläschchen Algifor, dass eine Mutter für ihr Kind auch noch mitnehmen wollte, weil es ja gratis sei, illustriert gut, welche Mentalität es bei einem Teil der PatientInnen zu ändern gilt. Und vom «Raschelsäckli-Fünfräppler» hat sie sich auch inspirieren lassen, allerdings etwas anders: ein Fünfliber für den Notfall, als neue Pauschale, wäre für sie angebracht. Als Zeichen, dass es etwas kostet und doch für alle erschwinglich bleibt.

Anna-Béatrice Schmalz fand zwei Ideen von Balmer gut: die Gesundheitsförderung und Prävention in die Schule zu bringen und den Fünfliber. Für sie ist aber das Problem viel grundlegender: die Belastungen im Gesundheitswesen seien generell das Problem, es brauche einen Mindestlohn bzw. ein Grundeinkommen und Teilzeitarbeit. Und natürlich sei dann die Gesundheit ins Zentrum zu stellen, und nicht die Krankheit, was aber systembedingt sei.

 

Digitalisierung: Lösung für alles?

Von der Digitalisierung erhoffen sich die meisten Podiumsteilnehmer:innen viel: Entlastung, mehr Zeit für die PatientInnen, weniger Koordinationsprobleme. Und auch die Einheitskasse und einkommensabhängige Prämien wurden genannt, aber nur von grüner und SP-Seite. 

Miro Barp sähe den Befreiungsschlag eher bei weniger Spitälern und einer Vereinfachung der Versicherung, zweigeteilt in eine Art Vollkasko und in eine Basisversicherung. Zu bedenken gab er, dass doch der Grossteil des Systems über Steuern finanziert werde, das System an sich hervorragend sei und eigentlich nur wenig Korrekturen notwendig seien.

 

Vertrauen muss zurückgewonnen werden, untereinander und ins System

Dass vor den Hausärzt:innen deren Funktion gelobt und gefördert sein wollte, war zu erwarten. Brigitte Röösli will deren Salär verdoppeln und das der Fachärzte halbieren, die Mayo-Klinik ist ihr Ideal. Mario Barp sieht für die Triagen auch zentrale Rollen bei APN’s, Hebammen und ApothekerInnen. Und einig ist er sich mit seinem Pflegefachkollegen von der GLP: die Pflegenden sollen selber abrechnen können, die Pflegeinitiative muss rasch umgesetzt werden. Und genau dazu empfehlen sich die beiden für den Nationalrat, dem überhaupt keine Pflegenden angehören würden. 

Céline Schneider, als Assistenzärztin, verdeutlichte ihrerseits das Nachwuchsproblem: von ihren KollegInnen, die mit ihr vor zwei Jahren das Staatsexamen gemacht hätten, wären einige wegen zu hoher Belastung bereits wieder ausgestiegen. Der Wandel müsse also schnell kommen, damit alle im Job verbleiben. Aber mehr müssten es trotzdem sein, warum nicht über eine eidgenössische Schule wie die ETH? Dass danach die Hausärzt:innen im Zentrum stehen und genug Zeit für die Patienten haben müssten, und, dass alles im Tarif gut abgebildet sein müsse, ist für sie offensichtlich. 

Zwei Inputs aus dem Publikum rundeten das Podium ab. Für einen Zuhörer ist die Sinnkrise offensichtlich, es gebe zu viele Akteure im System und da werde es schwierig, die Nachfrage zu bremsen. Und für eine andere Ärztin ist die allseits beklagte Bürokratisierung wohl klar ein Ausdruck von Misstrauen und Übercontrolling, es müsse Vertrauen zurückgewonnen werden, untereinander und ins System. Mit diesem Wunsch schloss Philippe Luchsinger die Runde.

 

Wir sind gespannt auf die Wahlen – am 22. Oktober sind alle aufgerufen, nicht zuletzt die Gesundheitsberufe ins Parlament zu schicken. Ob es gelingt?