Nachwuchs und interprofessionelle Zusammenarbeit
Grundversorgung stärken
Die medizinische Grundversorgung ist die beste Möglichkeit, die Kosten im Gesundheitswesen zu kontrollieren, wie wir bereits in der Juni Ausgabe 2022 geschrieben haben.
Medizinische Grundversorgung, die Basis des Gesundheitssystems
Die medizinische Grundversorgung wird von Hausärztinnen und Kinderärztinnen gewährleistet. Ihr erfolgreiches Instrumentarium ist seit Jahrzehnten dasselbe: Patientengespräch, gründliche Untersuchung und Planung der anschliessenden medizinischen Versorgung. Über 90% der Gesundheitsprobleme ihrer Patientinnen und Patienten behandeln sie ohne Überweisungen abschliessend und kostengünstig. Die Kosten für medizinische Leistungen im Rahmen der Grundversorgung sind nicht gestiegen. Ein stabiles, verlässliches Fundament.
Der Schlüssel ist genügend Nachwuchs
Mit anderen Worten: Wir machen unseren Job und dürfen mit unserer Leistung zufrieden sein. Diese Zufriedenheit sollte uns in jedem Fall helfen, unsere Rolle im Gesundheitssystem mit grösserem Selbstvertrauen wahrzunehmen, zumal wir von der Anerkennung unserer Patientinnen und Patienten getragen werden. Dieses Selbstvertrauen macht uns kreativ und offen für Veränderungen und gemeinsames Lernen. Auch wenn uns der Mangel an Ärztinnen und Praxisassistentinnen zusetzt: Wir haben erstens die Mittel und zweitens einen Plan, um diesen Mangel gemeinsam mit unseren Hauptpartnern (JHaS, KHM, pädiatrie Schweiz und SGAIM) zu beenden.
Bis die Nachwuchsförderung die gewünschte Wirkung zeigt, gilt es, Lösungen zu finden. Zurzeit greifen wir dabei oft auf im Ausland ausgebildete Ärztinnen und Ärzte zurück, da es der Schweiz, einem der reichsten Länder der Welt, nicht gelingt, genügend medizinisches Fachpersonal auszubilden, um die in Artikel 117 a der Bundesverfassung geforderte medizinische Grundversorgung zu gewährleisten. Dabei ist unsere Tätigkeit nach wie vor auch für junge Ärztinnen und Ärzte attraktiv: Wir können unseren Beruf frei ausüben und haben auch in Einzelpraxen ein Team von Praxisassistentinnen und eine Ausstattung zur Verfügung, die sich in anderen Ländern nur Spezialisten leisten können. Ganz Europa schaut neidisch auf unseren Zugang zu Untersuchungen und Spezialsprechstunden. Hoffen wir, dass das so bleibt! Und dass uns weitere «falsche gute Ideen» des Bundes zur Kostendämpfung im Gesundheitssystem erspart bleiben: bitte kein Globalbudget, keine Kostendeckel und keine ambulanten Pauschalen!
Interprofessionelles Praxisteam mit den Patient:innen als Partner:innen
Wir bleiben also, wenn immer möglich, gelassen und führen unsere Hausarzt- und Kinderarztpraxen so weiter, dass wir die wachsenden Bedürfnisse der Bevölkerung immer besser erfüllen können: Wir delegieren administrative Aufgaben ohne Patientenkontakt zunehmend an unsere Praxisassistentinnen, dank funktionierenden elektronischen Patientendossiers und der Verstärkung unserer Praxisteams durch Praxiskoordinatorinnen, die uns bei der Betreuung chronisch kranker Patientinnen und Patienten unterstützen können.
Es gilt die Zusammenarbeit mit diplomierten Pflegefachpersonen, die auf die Versorgung im häuslichen Umfeld oder in Alters- und Pflegeheimen spezialisiert sind, zu stärken. In erweiterter Form sogar mit Kolleginnen, die einen akademischen Abschluss in klinischer Psychiatrie, Diabetologie, Geriatrie, Säuglingskunde usw. besitzen und von ihren jeweiligen Institutionen bezahlt werden. Denn die interprofessionelle Zusammenarbeit in der Praxis erstreckt sich auf zahlreiche Berufe des Gesundheits- und Sozialwesens, mit denen wir eng zusammenarbeiten, insbesondere die Berufe, die in der Plattform Interprofessionalität in der medizinischen Grundversorgung vertreten sind.
So werden die für die medizinische Grundversorgung zuständigen Hausarztpraxen, im Bestreben, eine Vielfalt an Therapien anzubieten, zu interprofessionellen Zentren. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass auch die Behandlungsqualität zunimmt, wenn sich diese Zusammenarbeit auf einen formalisierten und strukturierten Ansatz für Patientinnen und Patienten mit einer chronischen Erkrankung stützt. Letztendlich sollen Patientinnen und Patienten selber die Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben, die sie für den täglichen Umgang mit ihrer Erkrankung benötigen – mit der Unterstützung ihres Selbstmanagements.
Durch die Interprofessionelle Zusammenarbeit und mit dem Kompetenzzuwachs der behandelten Personen und ihrer Angehörigen im Umgang mit der Erkrankung lässt sich die Anzahl der Krisen, der Dekompensationen und sogar der Hospitalisierungen reduzieren, was letztlich zu einer Arbeitsentlastung in der medizinischen Grundversorgung führt und damit den Kostenanstieg bremst.
Halten wir uns vor Augen, dass die medizinische Grundversorgung über 90% der Gesundheitsprobleme für nur 8% der Kosten löst! Entsprechend erwarten wir von der Politik, dass sie diesem enormen Potenzial der Grundversorgung mehr Beachtung – und damit auch die gebührende Wertschätzung und finanzielle Unterstützung – schenkt.