Arztpraxen und Grundversorgung in der Schweiz 2018–2021
Medizinische Grundversorgung: Halb so viele Ärztinnen und Ärzte pro Kopf auf dem Land wie in der Stadt
Das Bundesamt für Statistik BFS hat bestätigt, was wir längst wissen und im haus- und kinderärztlichen Alltag spüren: Es hat zu wenig Haus- und Kinderärzt:innen, vor allem auf dem Land. Mit einem Wert von 0.8 Ärzt:innen pro 1'000 Personen liegt die Schweiz unter dem oft zitierten OECD-Wert von 1.0 Ärzt:innen. In städtischen Gebieten wird dieser Zielwert von 1.0 erreicht, auf dem Land liegt er mit 0.4 sehr deutlich darunter.
Ende 2021 waren in der Schweiz 9184 Ärztinnen und Ärzte in der medizinischen Grundversorgung tätig. Auf dem Land arbeiteten Ärztinnen und Ärzte im Durchschnitt 8% mehr Stunden pro Woche als Ärztinnen und Ärzte in der Stadt. In städtischen Gebieten gab es pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner eine Grundversorgerin bzw. einen Grundversorger, in ländlichen Gemeinden lediglich 0,4. Dies zeigt eine neue Publikation des Bundesamtes für Statistik (BFS).
Am 31. Dezember 2021 waren in der Schweiz 9184 Ärztinnen und Ärzte (7174 Vollzeitäquivalente [VZÄ] über das Jahr betrachtet) in Arztpraxen und ambulanten Zentren tätig. Davon waren 4785 Männer (4059 VZÄ) und 4399 Frauen (3115 VZÄ). Als Ärztinnen und Ärzte in der Grundversorgung gelten Personen, die einen Facharzttitel in Allgemeiner Innerer Medizin oder Kinder- und Jugendmedizin haben oder die als Praktische Ärztin bzw. Praktischer Arzt tätig sind.
Zu wenig Ärzt:innen auf dem Land
Ende 2021 praktizierten 74,9% der grundversorgenden Ärztinnen und Ärzte in der Stadt (städtische Gemeinden), 17,5% in periurbanen Gebieten oder ländlichen Zentren (intermediäre Gemeinden) und 7,6% auf dem Land (ländliche Gemeinden). Zur Einordnung: In diesen drei Gemeindetypen lebten zu diesem Zeitpunkt 62,9%, 21,2% und 15,9% der Bevölkerung.
Arbeitsbedingungen auf dem Land weniger attraktiv
Die Voraussetzungen für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit unterscheiden sich je nach Region. Auf dem Land leisteten nahezu drei Viertel der Ende 2021 in der Grundversorgung tätigen Ärztinnen und Ärzte Notfalldienst. In der Stadt belief sich dieser Anteil auf rund 50%. Auch in Bezug auf die Arbeitszeit bestehen grosse Unterschiede. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit betrug 41,3 Stunden für Ärztinnen und Ärzte auf dem Land (3,8 Arbeitstage im Durchschnitt), gegenüber 38,1 Stunden für ihre Kolleginnen und Kollegen in der Stadt (3,7 Arbeitstage im Durchschnitt).
Die vom BFS ausgewiesene durchschnittliche Wochenarbeitszeit ist 41.3 Stunden auf dem Land bzw. 38.1 Stunden in der Stadt. Diese Stunden werden an 3.8 bzw. 3.7 Arbeitstagen geleistet (Teilzeitpensen), was bedeutet, dass der durchschnittliche Arbeitstag bei den Haus- und Kinderärzt:innen bei rund 10.5 Stunden liegt. Hochgerechnet heisst das: eine 52- bis 53-Stundenwoche.
Weiblich und häufig im Ausland ausgebildet
Der Anteil der im Ausland ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte in der Grundversorgung ist zwischen Ende 2018 und Ende 2021 von 24,6% auf 29,1% gewachsen. Auf dem Land tätige Grundversorgerinnen und Grundversorger haben ihr erstes ärztliches Diplom häufiger im Ausland erworben (32,5% der Ende 2021 tätigen Ärztinnen und Ärzte) als ihre Berufskolleginnen und -kollegen in städtischen und periurbanen Gebieten (28,8%). Die meisten der im Ausland ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte haben ihr erstes Diplom in einem Nachbarland, d. h. in Frankreich, Italien, Deutschland oder Österreich erworben.
In der medizinischen Grundversorgung sind zunehmend mehr Ärztinnen tätig. Ende 2021 lag der Frauenanteil bei 47,9%, gegenüber 43,4% Ende 2018. Zudem waren über 60% der Ende 2021 aktiven Ärzteschaft unter 45 Jahren Frauen. Der Frauenanteil variiert jedoch je nach Region. In der Stadt machten die Ärztinnen Ende 2021 insgesamt 49,4% der Ärzteschaft in der Grundversorgung aus, auf dem Land lag ihr Anteil bei 37,1%.
Fazit: Mehr Nachwuchs ist zwingend
Damit wir in Zukunft eine qualitativ hochstehende medizinische Grundversorgung in allen Gebieten der Schweiz und für die ganze Bevölkerung sicherstellen können, braucht es zwingend und dringend mehr Nachwuchs und attraktivere Arbeitsbedingungen, um diesen Nachwuchs dann auch für die Arbeit in der haus- und kinderärztlichen Praxis gewinnen zu können.