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Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz

Lesedauer ca. 6 Min.

Grosse Belastung: Zuviel, zu lang, zuwenig Support

Gastbeitrag

Grosse Belastung: Zuviel, zu lang, zuwenig Support

Der Mangel an Grundversorgern in der Schweiz ist eklatant. Für eine erfolgreiche Nachwuchsförderung ist es wichtig, dass junge und künftige ÄrztInnen möglichst den Weg in die Praxis weitergehen und dass Hausärzte in ihrem Beruf bleiben. Zahlen aus den USA und Grossbritannien geben Anlass zur Sorge: 54 % bzw. 52 % der Ärztinnen überlegen sich, den Beruf zu verlassen. Eine neue Schweizer Studie zur psychischen Gesundheit, erhoben von den JHaS und dem BIHAM, lässt aufhorchen.

Die psychische Gesundheit ist die Stütze für den hausärztlichen Nachwuchs, um den Beruf weiter gesund ausüben zu können und leistungsfähig zu bleiben. Es geht um die Sicherung der Grundversorgung und die Patientensicherheit. Für den Schweizer Nachwuchs in der Hausarztmedizin gab es bisher keine Evaluation der psychischen Gesundheit. In einer gemeinsamen Studie von JHaS (Junge Hausärzte Schweiz) und BIHAM (Berner Institut für Hausarztmedizin) wurden alle JHaS-Mitglieder (Studierende, Assistenzärztinnen und junge Hausärztinnen bis 5 Jahre nach Praxiseinstieg) befragt. 

Zum Studienzeitpunkt hatte JHaS über 1’100 Mitglieder, die alle auf dem Weg in die Hausarztmedizin oder bereits seit bis zu 5 Jahren in der Hausarztmedizin tätig waren. 

Mittels eines Onlinefragebogens wurde der psychische «Warwick-Edinburgh psychischen well-being scale (WEMWBS)» erhoben. Er reicht von 14 bis zu 70 möglichen Punkten; je höher die Zahl, desto besser die psychische Gesundheit. Weiter interessierte die Autoren der Studie das aktuelle Stresslevel, ob die Teilnehmer schon je einmal unter einem Burnout litten, wie oft ihnen Zeit für ihr Privatleben fehlt, wie oft sie über das Aufgeben ihres Berufes nachdenken, wie gross der Anteil der administrativen Arbeit ist und wie oft sie sich durch verschiedene Stressfaktoren bei ihrer Arbeit belastet fühlten. Die Fragesteller wollten auch wissen, was sich ändern muss und welche Unterstützung sich die Befragten wünschten. 

Resultate

 

 

Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer

Mit >500 Antworten erreichte die Umfrage einen sehr guten Rücklauf von fast 60 %. Die Basischarakteristika sind in Abbildung 1 zu sehen. Auffallend viele Frauen (75 %) haben geantwortet, was durch die hohe Frauenquote bei den JHaS selbst erklärt wird. Fast die Hälfte aller Antwortenden haben Kinder und arbeiten Teilzeit. 

 

 

Psychische Gesundheit

Durchschnittlich erreichten die Teilnehmerinnen einen WEMWBS von 52.4 Punkten (95% Vertrauensintervall = 51.7-53.0). Im Kontext betrachtet: Die Spanische Gesamtbevölkerung hat einen WEMWBS von ca. 60, die Lehrer in Grossbritannien ca. 48. Bei den JHaS-Mitgliedern fiel aber auf, dass die psychische Gesundheit besonders in der Weiterbildung tiefer (ca. 51 Punkte) war und bei jungen Hausärztinnen signifikant höher (ca. 54 Punkte). Weiter zeigte sich, dass sich nur 47 % voller Energie und nur 29 % entspannt fühlten. Hausärztinnen fühlten sich signifikant besser als Assistenzärztinnen. 

Fast die Hälfte der Teilnehmerinnen gab einen hohen oder sehr hohen Grad an Stress an (49 %) und hatte zu wenig Zeit für das Privatleben (45 %). Jede 6. Person (17 %) berichtete, schon einmal ein Burnout gehabt zu haben und 8 % denken im Moment (sehr) oft daran, den Beruf zu verlassen. 

Backoffice und Zeitmangel: Die grössten Belastungen

Die administrativen Tätigkeiten wurden von allen drei Gruppen am häufigsten als grösste Belastung genannt (65 % bei Assistenzärztinnen und 52  % bei Hausärztinnen). Assistenzärzte nannten zudem lange Arbeitszeiten (65 %), hohe Arbeitslast (58 %, 44 % bei Hausärztinnen, 50 % bei Studierenden) und hohe Arbeitsanforderungen (54 %, 46 % bei Hausärztinnen, 43 % bei Studierenden) als Belastung. 

 

 

Die psychische Gesundheit unterschied sich aber nicht nur in Bezug auf Aus- oder Weiterbildung, sondern auch nach Geschlecht (ca. 2 Punkte weniger bei Frauen). Gleichzeitig berichteten die JHaS aber auch von besserer psychischer Gesundheit, wenn sie auch Kinder haben (2 Punkte mehr). Am einschneidensten war aber, dass die psychische Gesundheit um fast 5 Punkte tiefer bei denjenigen war, die mitteilten, zu wenig private Zeit zu haben, verglichen mit denjenigen, die genügend Zeit für sich haben. 

Zusammenfassung

  • Die psychische Gesundheit variiert je nach Ausbildungslevel.
  • Assistenzärztinnen zeigen ein signifikant geringeres psychisches Wohlbefinden und sind am häufigsten von Burnout-Symptomen und Mangel an Freizeit betroffen.
  • Häufig genannte arbeitsbezogene Stressoren sind administrative Tätigkeiten, lange Arbeitszeiten und eine hohe Arbeitslast.
  • Häufig genannte Forderungen: Unterstützung bei bürokratischer Arbeit, Verbesserung der Work-Life-Balance und kürzere Arbeitszeiten.

Botschaft an die Politik: Bessere Rahmenbedingungen

Die Teilnehmerinnen nannten viele Vorschläge, was sich verbessern sollte, um die psychische Gesundheit zu schützen oder gar zu stärken. Sie schlugen insbesondere vor: Verbesserung der Work-Life-Balance, Reduktion administrativer Tätigkeiten, familienfreundliche Arbeitsumgebung, Akzeptanz und Förderung von Teilzeitarbeit, bessere Kinderbetreuung, kürzere Arbeitsdauer und das Einhalten von Pausen. 

Die psychische Gesundheit der zukünftigen Generation Hausärztinnen ist nicht naturgegeben und sollte laufend evaluiert werden als einer der wichtigen Treiber für Berufsausstieg oder Burnout. Damit die motivierten und engagierten Ärztinnen auf ihrem Weg in die Praxis und während der Praxiszeit nicht aus dem Beruf aussteigen, müssen die Arbeitsbedingungen möglichst «gesundheitskompatibel» gestaltet und die Rahmenbedingungen verbessert werden.

Die Lebenszeitprävalenz für ein Burnout beträgt gemäss letzten Zahlen ca. 20% in der Schweizer Bevölkerung. Bei den jungen (angehenden) Hausärztinnen sind es in ihrem jungen Leben aber bereits 17%. Dieser Umstand ist alarmierend. Dass Assistenzärztinnen über ein schlechteres psychisches Wohlbefinden verfügen als Hausärztinnen deckt sich mit anderen Studien, welche die Weiterbildungsperiode als die stressreichste Zeit mit vielen Schwierigkeiten bezeichneten.

Dieser Text wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit in der weiblichen Form verfasst.