Die Grundversorgung braucht qualifizierte Kolleginnen und Kollegen
Zulassung ist nicht gleich Zulassung…
Kaum in Kraft, zeigen sich bereits die Schwierigkeiten mit der neuen Zulassung: Zum einen wurden die Kolleginnen und Kollegen vergessen, die schon lange in der Schweiz arbeiten, da bräuchte es eine Übergangsbestimmung. Zum anderen ist es mit der aktuellen Fassung nicht möglich, Ärztinnen in den Praxen auf ihre selbständige Arbeit in unserem Gesundheitswesen vorzubereiten, hier bräuchte es eine Anpassung im Gesetz.
Der Bund und vor allem die Kantone sind die Gralshüter des Gesundheitswesens. Ihnen obliegt, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, zu kontrollieren, zu überwachen und zu schauen, dass sie nicht ins Kraut schiesst. Ein Faktor, der dabei eine Rolle spielt, ist die Menge an Ärztinnen, die zum einen in den Spitälern, zum anderen in der freien Praxis arbeiten.
Mit dem neuen KVG entstanden in den 90ern Bedenken, dass wegen der attraktiven Arbeitsbedingungen in der Schweiz und des hohen Einkommens (damals!) der Ärzte zu viele eine Praxis eröffnen. Zudem schürten die bilateralen Verträge, die die gegenseitige Anerkennung der Ausbildungen beinhalten, grosse Ängste, dass die Schweiz mit Ärztinnen nur so überschwemmt wird. Als Folge davon wurde rasch ein Zulassungsstopp eingeführt, für drei Jahre durfte eigentlich niemand mehr eine Praxis eröffnen. Eigentlich, weil dies die Kantone nicht einheitlich gehandhabt haben und es dadurch zu starken regionalen Differenzen gekommen ist. Dadurch, dass deutlich mehr Spezialisten als Grundversorger eröffnen konnten, stiegen deren Leistungen und die dadurch verursachten Kosten markant. Es folgten ein dringliches Bundesgesetz, Diskussionen im Parlament, bis die nationalrätliche Gesundheitskommission die Ausarbeitung gesetzlicher Grundlagen zur Steuerung verlangt hat. Der Auftrag: eine europakonforme Anpassung des KVG, das eine Steuerung möglich macht, und die Zulassung zur OKP regelt. In den Diskussionen wurden auch differenzierte Tarife und die Aufhebung des Kontrahierungszwangs erwogen, aber als nicht opportun und nicht konsensfähig wieder verworfen.
Seit dem 1.1.2022 ist nun das neue Gesetz in Kraft. Um die EU nicht zu verärgern, bekommt jede Ärztin, die einen entsprechenden Facharzttitel im Ausland erlangt hat, eine Berufsausübungsbewilligung. Damit sind die bilateralen Verträge respektiert. Die Einschränkung: Um Leistungen zu Handen der OKP abrechnen zu dürfen, müssen zusätzliche Bedingungen erfüllt werden. Zum einen ist ein Anschluss an EPD, ans elektronische Patientendossier, obligatorisch. Zum zweiten muss man sicherstellen können, dass ein Qualitätsmanagement vorhanden ist, das die Erreichung der gesetzlichen Vorgaben erlaubt. Drittens muss man die Sprache beherrschen.
Und nun kommt der Knackpunkt: Viertens muss man drei Jahre an einer anerkannten Weiterbildungsstätte der Fachrichtung gearbeitet haben. Dieser Punkt soll sicherstellen, dass die Eigenheiten und Usanzen unseres Gesundheitssystems erlernt werden können, aber ebenso, dass die Kolleginnen aus dem Ausland auch fachlich eine hohe Qualität in ihrer Arbeit erreichen können. An zwei Dinge wurde bei der Erarbeitung nicht gedacht: dass in vielen Fachrichtungen ein Mangel an Ärztinnen besteht, dass deshalb Ausnahmen möglich sein sollten. Dies wird durch einen Antrag der SGK-N jetzt diskutiert. Vergessen hat man auch die Kolleginnen, die schon über viele Jahre in der Schweiz arbeiten, aber nicht an einer anerkannten Weiterbildungsstätte. Für diese Kategorie würde eine Übergangslösung Sinn machen. Und dann sollten die Praxen nicht gegenüber den Spitälern benachteiligt werden und sollten die Möglichkeit haben, Kolleginnen für diese drei Jahre anzustellen. Durch den Passus in Art. 37 2 KVG (Die Einrichtungen nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstabe n werden nur zugelassen, wenn die dort tätigen Ärzte und Ärztinnen die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen) wird verunmöglicht, dass eine Gruppenpraxis einen Arzt aus dem Ausland anstellt, der seine drei Jahre dort absolviert und danach in die Praxis gehen kann. Ein Spital kann diese Kollegin hingegen problemlos anstellen.
Das Ziel muss sein, dass qualifizierte Kolleginnen alleinverantwortlich in die Grundversorgung eingegliedert werden können. Dazu braucht es wie oben erwähnt Übergangslösungen, vernünftige Ausnahmen und eine Anpassung im KVG. Die sollte möglichst rasch erfolgen.
Übrigens: Die Höchstzahlen, die die Kantone festlegen könnten, als weiterer Teil der Zulassung, sind damit noch nicht behandelt. Dabei ist es mfe wichtig, dass neben den Höchstzahlen auch ein Auge auf die Versorgungssicherheit geworfen wird. Mindestzahlen würden aber bedeuten, dass sich die Kantone bemühen müssten, Leistungserbringer zu finden…