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Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz

Lesedauer ca. 3 Min.

Das Coronavirus und die Forschung – eine weitere Pandemie

Forschungstribüne

Das Coronavirus und die Forschung – eine weitere Pandemie

Einen kommentarwürdigen Forschungsbericht zum Thema «Coronavirus und Hausarztmedizin» finden? Ein Ding der Unmöglichkeit.

Eine kurze Abfrage auf Google Scholar zu diesen beiden Stichwörtern ergibt Mitte Mai schon mehr als 60'000 Treffer, obwohl das Virus noch keine sechs Monate bekannt ist. Unglaublich, wenn man weiss, wie langsam die Mühlen der Wissenschaft sonst mahlen. Eine wahre Publikations-Pandemie: von den Ursprüngen des Virus bis zu seinen Komplikationen, von den möglichen Medikamenten bis zu den Massnahmen zum Schutz Einzelner oder der ganzen Bevölkerung.

Sucht man jedoch nach verlässlichen, nachweisgestützten Antworten, um die eindringlichen Empfehlungen der evidenzbasierten Medizin (EBM) zu untermauern, findet man diese nicht auf den üblichen, für ihre Seriosität und Sorgfalt bekannten Websites wie McMaster (1) oder Cochrane (2). Stattdessen immer das gleiche Fazit: unzureichende Evidenzstufe, Methodenverzerrung, zu kleine Testreihen, um statistisch relevant zu sein.

Wird hier im Namen der Wissenschaft geschludert? Wird zu hastig publiziert, um die von der Epidemie aufgeworfenen, drängenden Fragen zu beantworten und die Erwartungen der Politik oder der Bevölkerung möglichst schnell zu erfüllen? Manche Wissenschaftler sonnen sich auch in früherem Ruhm und lassen sich als Chloroquin-Gurus zulasten jeglicher kritischen Vernunft von Verschwörungstheoretikern vereinnahmen. Sind wir tatsächlich so wissenschaftsgläubig zu denken, dass die Wissenschaft alle unsere Fragen beantworten kann? Ein winziges Virus ... und schon gerät unser gesamtes Weltbild ins Wanken.

Was nun? Opfern wir die Wissenschaftlichkeit auf dem Altar der Dringlichkeit und glauben der erstbesten Publikation, weil sie «eminenzbasiert» ist? Das wäre der Weg zurück zur Willkür, der im Absolutismus mit all seinen Folgen endet. Nein!

Fragen wir uns lieber, ob die Studien zu Covid-19 nicht gerade deshalb noch so lückenhaft sind, weil es uns an Zeit, Sorgfalt und Kooperation fehlt. Gehört nicht vielleicht unser Forschungssystem auf den Prüfstand? Zu viele Einzelteams liefern sich einen hemmungslosen, narzisstischen Wettlauf um Veröffentlichung, Anerkennung, Ruhm – denn, dem Ersten, der ein Medikament oder einen wirksamen Impfstoff gegen das Coronavirus findet, winkt sicher der Nobelpreis.

Lassen wir also Vorsicht walten, bis überzeugende Ergebnisse vorliegen: primum non nocere. Konzentrieren wir uns auf die Behandlung, solange es noch keinen Impfstoff gibt. Üben wir uns in Demut, angesichts des langen Atems der Natur – und bleiben wir kritisch.

Denn seit jeher gilt: «Hochmut kommt vor dem Fall». Vor allem, wenn der Mensch mal wieder Gott spielen will ...

1. https://plus.mcmaster.ca/COVID-19/
2. https://www.cochranelibrary.com/